Ignorieren einer SMS des Chefs in der Freizeit – Geht das?
Was, wenn Ihr Chef Ihnen nach Feierabend schreibt und verlangt, am nächsten Morgen früher als geplant zur Arbeit zu erscheinen? Genau diese Situation beschäftigte 2023 das Bundesarbeitsgericht (BAG, Az.: 5 AZR 349/22). Im Mittelpunkt: Ein Notfallsanitäter, der eigentlich am nächsten Tag um 7:30 Uhr zum Dienst antreten sollte und während seiner Freizeit eine SMS des Arbeitgebers erhalten hatte, wonach er als "Springer" bereits um 6 Uhr des nächsten Tages den Dienst antreten soll. Grundlage für diese Weisung des Arbeitgebers war eine Vereinbarung im Betrieb, dass unkonkret im Dienstplan bezeichnete Springerdienste für Tag- und Spätdienste bis 20 Uhr des Vortages weiter konkretisiert werden können.
Die vorherige Instanz (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein) wertete das Lesen einer solchen SMS als Arbeitsleistung, zu der der Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeit nicht verpflichtet sei.
Dem hat das höherrangige BAG eine Absage erteilt: Die bestehende Betriebsvereinbarung macht es möglich, dass der Arbeitgeber die genaue Arbeitszeit dem Arbeitnehmer auch während der Freizeit kurzfristig bekannt gibt. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die Weisung zur Kenntnis zu nehmen. Dabei handelt es sich um eine Nebenleistungspflicht, die ihn wegen der entsprechenden Betriebsvereinbarung trifft.
Das Lesen einer solchen Weisung sei keine Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne und die Ruhezeit werde durch die Kenntnisnahme nicht unterbrochen. Schließlich könne der Arbeitnehmer selbst entscheiden, wann er die Nachricht liest und auch der Moment des Lesens selbst sei so kurz, dass das die Freizeit dadurch nicht ernsthaft beeinträchtigt wird.
In wessen Betrieb es also eine vergleichbare Vereinbarung gibt, kann nicht erwarten, außerhalb der Dienstzeit nicht vom Arbeitgeber kontaktiert zu werden wegen einer Konkretisierung der Arbeitszeit. Dann kann man sich auch nicht darauf berufen, während der Freizeit, zum Beispiel während der Kinderbetreuung, das Handy auf lautlos geschaltet zu haben.
Das BAG hat allerdings auch klargestellt, dass das nicht bedeutet, dass Arbeitnehmer den ganzen Tag auf ihr Handy schauen und sich dienstbereit halten müssen. Der Arbeitnehmer kann selbst entscheiden, wann er die Weisung zur Kenntnis nimmt.
Konsequenzen Ignoriert der Arbeitnehmer eine solche Weisung allerdings, dann kann das zu einer Abmahnung führen, weil er eben jene Nebenpflicht verletzt hat. Im Fall des Notfallsanitäters, der erst um 7:30 Uhr zum Dienst erschien, wurde seit 6 Uhr ein Kollege in Rufbereitschaft auf dessen Posten gesetzt und der Notfallsanitäter konnte seine Arbeitsleistung dann nicht mehr erbringen. Sein Arbeitgeber hat ihm daher – laut BAG rechtens – den Lohn für die nicht geleisteten Stunden nicht bezahlt.