Die Straßenblockaden durch Demonstrationen der Landwirte führten in den vergangenen Wochen zu Lieferverzögerungen. Wer trägt in so einem Fall die Verspätungskosten? Dass Logistiker sich beim Transport ihrer Güter mit Verspätungen konfrontiert sehen, ist keine Seltenheit. Neben dem gewöhnlichen Stauaufkommen und Unfällen riefen insbesondere die Blockaden infolge der Demonstrationen der Landwirte in den vergangenen Wochen entsprechende Lieferverzögerungen hervor. Während der aktuellen Streiks suchen Logistikunternehmer vor allem Antworten auf sich ihnen neu stellende Rechtsfragen. Was passiert, wenn Frachtführer aufgrund einer geplanten Demo Lieferfristen nicht einhalten können? Wer trägt die Verspätungskosten? Und vor allem in welcher Höhe?
Aktuelles Beispiel aus der Praxis
In einem aktuellen Fall konnte infolge der landwirtschaftlichen Demonstrationen ab 8. Januar 2024 ein Transportunternehmen den Umzug eines Gewerbeunternehmens nicht planmäßig abwickeln. Denn im geplanten Zeitraum an insgesamt drei Tagen war ein Umzug an den ersten beiden Tagen unmöglich. Grund war eine Straßenblockade, die dem Logistiker die Zufahrt zum Gewerbeobjekt versperrte.
Denn in dem betroffenen Bundesland hatten die Sicherheitsbehörden nicht regelmäßig in den Genehmigungen für Protestaktionen untersagt, Kreisverkehre mit in den Protest einzubeziehen. Durch zahlreiche entsprechende Aktionen waren dadurch die Zufahrten über Stunden vollkommen gesperrt und letztlich hatten sich die Parteien dann darauf verständigt, den Umzug erst am 10. Januar zu starten.
Die verspätete Lieferung hatte hohe finanzielle Konsequenzen für beide Vertragsparteien. Während der Auftraggeber die geplante Geschäftseröffnung, die zudem im großen Stil beworben wurde, verschieben musste, fielen bei dem Speditionsunternehmen Personalaufwendungen in Höhe von 10.000 Euro an.
Neben eigenen Personalaufwendungen entstand dem auftraggebenden Unternehmen ein Vermögensschaden in Höhe von 140.000 Euro in Form der Bewerbungskosten. Das Logistikunternehmen suchte daraufhin einen Anwalt auf, um die Rechtslage klären zu lassen.
Grundsätzlich haftet der Frachtführer – auch für Verspätungsschäden
Das Gesetz sieht grundsätzlich für die Haftung bei Umzugsverträgen die allgemeinen Regelungen nach Paragraf 425 folgende im Handelsgesetzbuch (HGB) vor. Hier regelt Absatz 1, dass der Frachtführer für Schäden, die aus Verlust oder Beschädigung des Transportguts sowie aus der Überschreitung der vereinbarten Lieferzeit entstehen, haftet. Dabei handelt es sich um eine sogenannte „Obhutshaftung“. Dies bedeutet, dass Frachtführer unabhängig davon haften, ob sie ein Verschulden trifft oder nicht. Über Paragraf 428 HGB weitet sich diese Haftung auch auf die Angestellten und Subunternehmer des Logistikunternehmers aus.
Im Einzelfall kann eine Haftungsbegrenzung möglich sein
Um diese Regelung abzumildern, sieht der Gesetzgeber Haftungsbegrenzungen in den Paragrafen 426 folgende vor. Unter anderem haftet der Frachtführer nicht, wenn Umstände zum Schaden führen, die dieser auch bei größter Sorgfalt nicht vermeiden konnte. Es stellen sich also die Fragen: Liegt im objektiven Sinne ein unabwendbares Ereignis vor und konnte der Frachtführer subjektiv durch Organisation des Transports die Verspätung irgendwie vermeiden?
Wann man von „Unvermeidbarkeit“ ausgehen kann
Während Unfälle, auf die der Frachtführer keinen Einfluss hatte, als unvermeidbar gelten, bewerteten die Gerichte in früheren Urteilen Verspätungen aufgrund einer Sperrung oder von erhöhtem Verkehrsaufkommen als für den „idealen“ Frachtführer grundsätzlich einkalkulierbar. Hier kann vom Logistiker erwartet werden, dass er die Leistungszeit einhält: durch eine ausreichende Transport-Organisation wie die Wahl einer alternativen Strecke oder ein früheres Losfahren.
Ähnliches kann wohl auch bei einer im Voraus angesagten Demonstration angenommen werden, welche Transportwege beeinträchtigt. Trotz aller Anstrengung ist es auch hier dem Frachtführer grundsätzlich zumutbar, sich rechtzeitig und stetig über die aktuelle Verkehrslage zu informieren und eine Route zu wählen, welche das Einhalten der Leistungszeit ermöglicht.
Weisungen des Kunden einholen als Handlungsoption für den Logistiker
Ergänzend zu den gesetzlichen Bestimmungen gelten allerdings häufig die ADSp 2017 (Allgemeine Deutsche Spediteur Bedingungen) für die meisten Fracht- und Umzugsverträge als Gemeinschaftsempfehlung zwischen Auftraggeber und Logistiker. Diese sehen in Ziffer 12.1. eine Handlungspflicht des Frachtführers vor, insofern er die vereinbarte Leistungszeit nicht einhalten kann.
So hat er in einem solchen Fall den Auftraggeber unverzüglich darüber in Kenntnis zu setzen und dessen Weisungen einzuholen, wie nun weiter verfahren werden soll. Das bedeutet für den Fall einer geplanten Demonstration: Der Frachtführer muss sich ab Zeitpunkt der Kenntnis an seinen Kunden wenden, über das Transporthindernis informieren und Anweisungen einfordern.
Dabei ist es empfehlenswert, dass er darauf hinweist, dass aufgrund von eventuell bestehenden Beförderungshindernissen Mehrkosten anfallen können. Entscheidet sich der Auftraggeber trotz des Hinweises dafür, den Transport durchführen zu lassen, trägt er das Kostenrisiko für etwaige Schadensfälle, die sich infolge der Verzögerung ergeben. Frachtführer dagegen, die ihrer Informationspflicht nachkommen, steht ein Anspruch auf zusätzlichen Aufwendungsersatz und angemessene Vergütung zu.
Wie teuer kann ein Verspätungsschaden für Logistiker werden?
Erfasst von der Haftungsregelung sind hauptsächlich Vermögensschäden wie entgangener Gewinn, Produktionsausfall oder Kundenverlust der anderen Vertragspartei. Dabei ist der Haftungsumfang nach Gesetz auf den dreifachen Betrag der verspätet gelieferten Fracht gemäß Paragraf 431 Absatz 3 HGB beschränkt. Wenn die ADSp 2017 Anwendung finden, ist der Haftungshöchstbetrag nach Ziffer 23.4 auf 125.000 Euro begrenzt.
Kommunikation kann Rechtsstreit vermeiden
Letzten Endes entscheidet im Falle von Verspätungsschäden durch Demonstrationen – wie so oft – die Bewertung im Einzelfall. Um einen teuren Rechtsstreit zu vermeiden und das Risiko für Haftungsansprüche zu reduzieren, sind Logistiker deshalb gut beraten, die frühzeitige Kommunikation mit dem Auftraggeber zu suchen, sowie dessen Weisungen einzuholen. Das bringt für den Frachtführer vor allem den positiven Aspekt mit sich, zusätzliche Vergütungen geltend zu machen.
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