Bundesjustizministerium beabsichtigt Entschärfung der Unfallflucht
Jüngst war in der Presse zu lesen: Unfallflucht künftig straffrei! Tatsächlich beabsichtigt das Bundesjustizministerium eine Änderung des § 142 StGB.
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort nach § 142 StGB
Wer als Unfallbeteiligter den Unfallort verlässt, ohne einer feststellungsbereiten Person die notwendigen Angaben mitzuteilen oder ohne ausreichend lang am Unfallort zu warten, läuft Gefahr, sich wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort strafbar zu machen. Das Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe vor. Wurde bei dem Unfall ein Mensch getötet, nicht unerheblich verletzt oder ist an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden, droht die Entziehung der Fahrerlaubnis für mindestens ein halbes Jahr.
Reformbestrebungen
Bereits beim Verkehrsgerichtstag im Jahr 2018 kamen Experten aus verschiedenen Bereichen zu dem Ergebnis, dass der Straftatbestand bei den Adressaten der Norm zu schwerwiegenden Rechtsunsicherheiten führe. Die Anforderungen, die der Paragraf an einen Unfallbeteiligten stellt, seien nicht eindeutig. Deshalb lautete die Empfehlung an den Gesetzgeber unter anderem, den § 142 StGB auf Verständlichkeit zu überprüfen und den Unfallbegriff und die Wartezeit am Unfallort gegebenenfalls zu präzisieren. Weiterhin sprach sich eine knappe Mehrheit des Arbeitskreises dafür aus, dass das unerlaubte Entfernen vom Unfallort bei Sachschäden nicht mehr im Regelfall zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis führen solle oder nur im Falle eines Fremdschadens von mindestens 10.000,00 Euro.
Bundesjustizministerium holt Stellungnahmen ein
Offenbar hat sich das Bundesjustizministerium die Empfehlungen der Experten des Verkehrsgerichtstags als Leitbild genommen und am 12.04.2023 eine Vielzahl von Verbänden und Landesjustizverwaltungen angeschrieben und um Stellungnahme gebeten. Aus dem Schreiben soll hervorgehen, dass künftig nur noch das unerlaubte Entfernen vom Unfallort im Falle von Personenschäden strafbewehrt sein soll. Im Falle von Sachschäden soll das unerlaubte Entfernen nur noch als Ordnungswidrigkeit verfolgt und geahndet werden können. Zur Begründung wird ebenfalls die aus Sicht des BMJ bestehende Unklarheit der Norm herangezogen. In die Erwägung werden auch lebensnahe Argumente einbezogen, wie bspw., dass Unfallbeteiligte sich nach einem Unfall oftmals in einer Ausnahmesituation befinden. Weiterhin stelle der § 142 StGB eine Durchbrechung des Prinzips der Straflosigkeit der Selbstbegünstigung dar. Ein Vergleich mit der Rechtslage anderer Länder habe gezeigt, dass vielerorts ebenfalls zwischen Personen- und Blechschaden unterschieden wird. Dennoch sollen Unfallbeteiligte bei Sachschäden verpflichtet werden, den Sachschaden zu melden, sodass dem Beweissicherungsinteresse des Geschädigten weiterhin Genüge getan werden soll. Andernfalls handelt der Unfallbeteiligte ordnungswidrig. Statt jedoch an eine konkrete Wartezeit anzuknüpfen, erwägt das BMJ eine allgemeine Meldestelle zu installieren.
Die Unfallflucht in der anwaltlichen Praxis
Die anwaltliche Praxis zeigt, dass sich Verkehrsteilnehmer nach einem Unfall oftmals falsch und strafbar verhalten, ohne dass es ihnen bewusst ist. Der Klassiker ist und wird auch künftig der Zettel unter dem Scheibenwischer bleiben. Im Rahmen von Erstberatungsgesprächen sind die Mandanten nicht selten fassungslos, wenn man darauf hinweist, dass es gerade nicht reicht, lediglich einen Zettel mit seinen Daten am beschädigten Fahrzeug zu hinterlassen. Jedoch scheinen die Staatsanwaltschaften weitestgehend sensibilisiert und sind zu mandantenfreundlichen Lösungen bereit, sofern sich der „Zettel“ glaubhaft nachweisen lässt. Das größere Problem ist nach meiner Auffassung weniger, dass auch bloße Sachschäden unter den Straftatbestand des § 142 StGB fallen, sondern, dass in der Rechtsprechung vielerorts bereits ab einem Sachschaden von 1.500,00 Euro ein bedeutender Schaden angenommen wird, was in der Regel zur Entziehung der Fahrerlaubnis für mindestens ein halbes Jahr führt. Deshalb ist weniger eine Gesetzesänderung als ein Umdenken in der Rechtsprechung mindestens wünschenswert.
Zitat des Bundesjustitzministers aus o.g. Artikel der ZEIT: "Damit könne A u f w a n d für Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte reduziert werden, verteidigte er seinen Vorschlag." Mir war bis jetzt nicht klar, das die Aufwandsreduzierung für die o.g. Akteure das vornehme Ziel des Bundesjustitzministeriums wäre. Bis jetzt dachte ich, das der Staat es als wesentliche Aufgabe betrachtet, Recht und Gesetz durchzusetzen. Der Staat hat, gottseidank, das Gewaltmonopol. Jedoch im übertragenen Sinne: noblesse oblige
Zitat: "Die anwaltliche Praxis zeigt, dass sich Verkehrsteilnehmer nach einem Unfall oftmals falsch und strafbar verhalten, ohne dass es ihnen bewusst ist." Aus Interesse gefragt: Wird in der anwaltlichen Praxis auch überprüft ob der Mandant einen Führerschein hat? Das richtige Verhalten am Unfallort lernt man nämlich in der Fahrschule. Ansonsten gilt: Unwissnheit schützt vor Strafe nicht.
Was mich interessieren würde; wie sehen denn die Forenmitglieder den, aus meiner Sicht grandiosen, Vorstoß des Herren Bundesjustizministers?
Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen. Gustav von Rochow (1792 - 1847), preußischer Innenminister und Staatsminister
Denk ich an Deutschland in der Nacht, Dann bin ich um den Schlaf gebracht Heinrich Heine; 1844 Zyklus Zeitgedichte
We are all in the gutter, but some of us are looking at the stars. Oscar Fingal O'Flahertie Wills Wilde
nach einer solchen Änderung wird es noch weniger geben, welche sich melden.
Ja, wenn man nen lesbaren Zettel dran macht kann,es eine OWI werden. Wenn man dran fährt und sich meldet ist es sowieso eine, dann entfällt nur die Mitteilungspflicht an die StA.
gibt aber genügend, welche den Schaden mitbekommen, sogar noch anguggen oder drauf hingewiesen werden ( geschätzt zwischen 3 und 5 pro Tag in unserem Direktionsbereich ) und dann weiterfahren. ( viele ältere Fahrzeugführer und -innen ) und das sollte dann ach ordentlich geahndet werden. Auch mit FE-Entzug !!!
Meine Frau war dieses Jahr als Zeugin wegen eines Parkplatzremplers vorgeladen. Drangefahren, ausgestiegen, Spuren abgewischt, eingestiegen und weggefahren. Da die Unfallverursacherin schon wegen so einer Sache "vorbestraft" war, wollte sie sich mit Anwalt und Gutachter rauswinden. Ich hoffe, das die Aussage meiner Frau einen Führerscheinentzug zur Folge hatte.
Zitat von Krischan im Beitrag #2Ein schon ein wenig eingestaubtes Thema.
Was mich interessieren würde; wie sehen denn die Forenmitglieder den, aus meiner Sicht grandiosen, Vorstoß des Herren Bundesjustizministers?
Zu Satz 1: das war im Newsletter 05/2023 drin, also vor der "Zeit" bzw. dem Artikel in der Zeit. Zu Satz 2: wie interpretierst du "grandios"? Ich hoffe ironisch.
... meiner Meinung nach tut man sich da keinen Gefallen mit.
Der Mensch ist vom Grundsatz her ein Arsch. Benehmen tut er sich nur aus Angst vor Strafe, und aus Angst erwischt zu werden.
Wenn beide Wahrscheinlichkeiten (Erwischt und bestraft werden) sinken, kommt immer mehr das Arsch-Gen im Menschen durch.
Zudem sage ich immer: Wer bei einer Beule weg fährt, der fährt auch weg wenn er ein Kind überfährt.
Ich bin ein Freund von Null-Toleranz, weil wir mittlerweile sehen wo uns die Toleranz-Welle hingeschwemmt hat.
Aber in's Thema "Deutschland schafft sich ab" passt das doch gut rein.
Behörden haben oft genug mit sich selbst zu tun. Das heißt die brauchen garkeine Anreize von außen. Die schaffen das sich selbst zu bespaßen.
Das Behörden für uns da sind, und nicht wir für die Behörden - das gerät immer mehr aus dem Sichtfeld.
Offensichtlich brauchen wir's hier ganz hart, und darauf arbeiten wir hin. Ich verweise in diesem Zusammenhang gerne auf den erfolglosen und untalentierten Künstler aus Österreich, der irgendwann dann doch für ein großes Talent gehalten wurde. Da braucht sich dann am Ende keiner mehr wundern und fragen: Wie konnte das denn nur so weit kommen.
Zitat von Kipper-Spedition im Beitrag #4 Zu Satz 2: wie interpretierst du "grandios"? Ich hoffe ironisch.
Arndt, so langsam solltest Du mich soweit einschätzen können. Das geht ganz ohne Hoffnung.
Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen. Gustav von Rochow (1792 - 1847), preußischer Innenminister und Staatsminister
Denk ich an Deutschland in der Nacht, Dann bin ich um den Schlaf gebracht Heinrich Heine; 1844 Zyklus Zeitgedichte
We are all in the gutter, but some of us are looking at the stars. Oscar Fingal O'Flahertie Wills Wilde
Das Thema ist in der Tat zweischneidig, auf der einen Seite kann es nicht sein, dass jemand etwas beschädigt und abhaut. Auf der anderen Seite ist es auch unfassbar, dass Leute einfach das Nummernschild aufschreiben und bei der Polizei Anzeige wegen Fahrerflucht stellen, die Dinger habe ich hier 4 bis 5 mal im Jahr auf dem Tisch. Meist gehen die Sachen mit einer Einstellung einher. Besonders Lustig ist es dann, wenn ich als Person dann gesucht werde, zuletzt im letzten Jahr, da stand die Polizei bei meiner Frau vor der Türe und wollte meinen Führerschein beschlagnahmen. Grund war die Angabe eines angeblich geschädigten, das an einem Kieszug die Klappe aufgegangen sei und er jetzt einen Steinschlag im Fenster hätte. Erklär einem normalen Polizisten mal, wenn das so wäre, 28 To Kies auf der Autobahn liegen müssten. In einem muss ich Fuhrmann Recht geben, die Menschen werden immer Egoistischer und Hemmungsloser, alles Egomanen.